Der Ursprung der Capoeira

Der Widerstand

Kein Volk würde ewig unter dem Joch der Sklaverei verharren ohne sich aufzulehnen. Mit den Schwarzen in Brasilien war es nicht anders. Ihre ersten Reaktionen auf die Gefangenschaft, waren Flucht sowie individueller und unorganisierter Widerstand.

Mit der Zeit erkannten sie die Notwendigkeit, sich gegen ihre Unterdrücker zu organisieren und begannen ihre Fluchtversuche zu planen sowie sich Kampfformen auszudenken, die brauchbar waren, um sich zu befreien. Sie sahen ein, daß sie Zufluchtsmöglichkeiten brauchten, die sicher waren und weit genug weg von den Plantagen, der Politik und den Wächtern der weißen Sklavenhalter.

Der Körper als Waffe

Die Schwarzen wußten, daß sie kämpfen mußten um fliehen zu können, doch sie hatten weder Zugang zu Waffen noch zu irgendwelchen anderen kampftauglichen Geräten. Ihnen stand lediglich ihr Körper zur Verfügung und ihr eiserner Wille frei zu sein. Doch sie hatten auch noch Erinnerungen an Spiele aus Afrika mitgebracht und erinnerten sich an den Tanz des Zebras "N'Golo" - ein Hochzeitsritual und Wettkampf um eine Frau zu gewinnen.

Zudem verlieh ihnen die alltägliche schwere Arbeit Kraft und Muskeln. So mussten Sie nur Beweglichkeit und Kraft zusammenbringen, um kampfbereit zu sein. Sie beobachteten das intelligente Angriffs- und Verteidigungsverhalten einiger brasilianischer Tierarten wie z.B. den Eidechsen, der Schlangen und der Raubkatzen. Dies half ihnen verschiedenste Bewegungsformen zu erarbeiten, die Beweglichkeit, Technik und Kraft zusammenführten. Mit dieser Basis wurde die Grundlage von Fußfegern (Rasteiras), verschiedenen Sprüngen (Pulos) und Kopfstößen (Cabeçadas) geschaffen, die sich später im Laufe der Zeit noch sehr viel weiter entwickeln sollte.

Der Name

Es verlangte viel Übung und Training die bekannten Bewegungen in einer Kampfkunst zu manifestieren. Dazu kam, dass man sich den Blicken der Gutsverwalter und Wächter entziehen musste. Wieder einmal fanden die Schwarzen Hilfe in der Natur. Sie gingen in den Urwald in der Nähe der Sklavenhütten (Senzalas), um sich zu verstecken und auf den Kampf vorzubereiten. Sie wählten dazu Lichtungen aus, wo wenige Bäume standen und das Gras niedrig war. In der Sprache der Indios trägt diese Art von Vegetation den Namen "Capoeira" und so wurde diese Bezeichnung auch zum Namen jener Art zu kämpfen und den Körper zu trainieren, die von den Schwarzen benutzt wurde um sich ihren Unterdrückern entgegenzustellen: DIE CAPOEIRA.

Die Kunst – Der Tanz – Die Musik

Es war nicht immer möglich sich in den Wald abzusetzen um den Kampf zu trainieren, aber die Schwarzen ließen nie davon ab, ihre Kultur auszuüben. Auch während der Sklaverei war es üblich, dass sich Männer und Frauen zu Gesang und Tanz versammelten oder den Kult der Orixás, mit seinen Rhythmen und Gesängen feierten. Da auch die Capoeira aus getanzten Bewegungen bestand, wurden die feierlichen oder mystischen Zusammenkünfte zu einer weiteren Möglichkeit sie auszuüben. Dadurch wurde die Capoeira durch Gesang und Rhythmen bereichert, die sich letztendlich in ihr verankerten, da die Schwarzen schon das Berimbau, die Atabaque und das Agogô kannten.

Das Berimbau

Die Atabaque und das Agogô waren damals schon fester Bestandteil der afrikanischen Mythologie und auf die Atabaque galt sogar als Gottheit. Somit wurde das Berimbau zum Symbol der Capoeira und wurde als Meister in der Roda angesehen. Es bekam die Funktion das Capoeira-Spiel zu beaufsichtigen.

Zu dieser Zeit war es kaum denkbar für die Gutsverwalter und Capitães do Mato (eine Art Kopfgeldjäger), dass diese mit katzengleicher Leichtigkeit und der Ausdruckskraft eines Ballettänzers ausgeführten Bewegungen, mächtige Angriffe waren. Diese konnten nicht nur den Gegner aus dem Gleichgewicht bringen und verletzen, sondern dabei auch noch so schnell ausgeführt werden wie der Biss einer Klapperschlange. Also glaubten diese Männer, dass die Capoeira nur ein Treffen zum "Tanz aus Angola" wäre. Den Namen "Angola" bekam der Tanz, da der Staat Angola die meisten Schwarzen für den Sklavenhandel stellte. So entstand der Name "Capoeira Angola".

Die Flucht und die Quilombos

Doch die Sklaverei dauerte fort. Das Blut der Schwarzen tränkte die brasilianische Erde, während gleichzeitig ihre Arbeitskraft für eine blühende Wirtschaft in der damaligen portugiesischen Kolonie sorgte. Doch die Schwarzen akzeptierten weder ihre Situation als Sklaven, noch die von ihren Herren angewendeten unmenschlichen Behandlungsmethoden. Sie kämpften, flohen und suchten Kraft indem sie sich mit anderen Teilen der Gesellschaft zusammenschlossen, um die sogenannten "Abolicionistas" (Gegner der Sklaverei) auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Auf ihrer Flucht durch den Urwald suchten sie vor allem Orte mit sauberem Wasser und fruchtbarem Boden, die schwer für die Capitães do Mato erreichbar waren, welche angeheuert wurden um flüchtige Sklaven wieder einzufangen. Diese Orte wurden berühmt als "Quilombos" und ihre Einwohner als "Quilombolas". Der wichtigste und berühmteste in der Geschichte Brasiliens war der Quilombo dos Palmares, der dort lag, wo sich heute der Bundesstaat Alagoas befindet.

Das Verbot

Schon während der Sklaverei auf das härteste verfolgt, war die Capoeira auch weiterhin im Visier der Mächtigen - auch noch nach Abschaffung der Sklaverei. Aber jetzt wurde versucht, ihr mit Gesetzen ein Ende zu bereiten. Das Strafgesetz von 1890, das zur Regierungszeit von Teodoro da Fonseca geschaffen wurde und in Kraft trat, verbot die Ausübung von Capoeira Angola im gesamten Land.

Zu der offiziellen Verfolgung kam außerdem noch der Hass einiger Polizeichefs, welche die Capoeira ausrotten wollten, nachdem sie die Kraft darin erkannten. Der Grund für den Hass war eben der, der die Capoeira ausmacht: Der Freiheitskampf. Und genau im Namen dieser Freiheit wurde der Kampf nicht nur für die Schwarzen weitergeführt, sondern für die Capoeira Angola als Ganzes und das wird er auch heute noch.